Lotosblume, Licht, Bogen, Musiknoten

Liebe Cäcilia,

als ich vor einigen Tagen den ersten Entwurf für diese Karte skizzierte, ahnte ich noch nicht, dass ich bald etwas Wunderbares kennenlernen würde.

Du hast mich mit Deinem letzten Brief ein wenig überrascht. Dein neues komponiertes Stück gefällt mir ausgezeichnet, die ruhige, leise daherkommende Musik berührt mich zutiefst, mir wird dabei ganz warm ums Herz. Ich danke Dir sehr dafür.

Inspiration für diese Karte fand ich zum einen in dem Buch „Der Klang: Vom unerhörten Sinn des Lebens“ von Martin Schleske, wovon ich Dir das letzte Mal schon etwas geschrieben hatte, zum anderen bei der finnischen Designerin Maija Sofia Isola (15.03.1927 – 03.03.2001), insbesondere aus ihrer Reihe „Kaivo“ (1965).
Aus dem Buch des Geigenbauers befasste ich mich mit dem Unterkapitel „Die Suche meines Herzens“. Bevor sich Martin Schleske diesem Unterkapitel widmete, beschrieb er, wie er zusammen mit einem Freund in einem Winter einen ganz besonderen Sängerstamm gefunden hatte, welche Mühen es ihm kostete, diesen Stamm sicher in sein Atelier zu bringen. Die Suche nach dem richtigen Sängerstamm verwendet er als Gleichnis und leitet damit „Die Suche meines Herzens“ ein. Darin erwähnt er unter anderem den () 33. Vers aus dem 69. Psalm, darin handelt es sich um das Suchen nicht um das Finden. Ich nahm daraufhin die Bibel in die Hand, um herauszufinden, in welchem Zusammenhang dieser Vers steht. Eingeleitet wird der Psalm in der Einheitsübersetzung von 2016 (Katholisches Bibelwerk) mit den Worten:

„Für den Chormeister. Nach der Weise Lotusblüten.“

Somit hatte ich mein Motiv gefunden. Doch nun ging es für mich um die Ausgestaltung. Ich denke, liebe Cäcilia, wenn Du gleich meine weiteren inneren Vorgänge gelesen hast, wird sich der Rest der Karte wie Farbwahl und Co. für Dich erschließen.
Martin Schleske macht in seinem Buch deutlich, dass ein Glaube an Gott ohne Leidenschaft kraftlos ist, dass die Antworten zwar im eigenen Glaubensmilieu ungemein beruhigend wirken können aber keine Reaktion mehr hervorrufen. Du glaubst gar nicht, meine liebe Cäcilia, wie sehr diese Worte für mich etwas Tröstendes haben, ja, Balsam für meine Seele sind. Seit Jahren fühle ich mich, wenn es um den Glauben an Gott geht, völlig fehl am Platz, da all die Gewissheiten, die mir andere vermittelten, so gar nicht in meine Lebenswelt passen wollten. Meine Verzweiflung wuchs und ich konnte nicht anders, als zu dem Schluss zu kommen: Wenn das zutrifft, was die anderen mir über ihren Glauben sagen, dann kann es keinen Gott geben. Aber nun treffe ich glücklicherweise immer häufiger auf jene, die vom Suchen und nicht vom Finden sprechen. Martin Schleske schreibt:

„Es ist ein inneres Gebot des Menschengeistes, dass wir Suchende bleiben.“ (S. 17)

Endlich ist da Licht, endlich fühle ich mich nicht mehr allein. Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Gestern Abend kam für mich ein weiterer wichtiger Baustein hinzu. Wir bekamen „die innere Burg“ von Teresa von Ávila (28.03.1515 – 04.10.1582) in der Meditationsgruppe vorgestellt. Diese Burg stellt unsere Seele aus Kristall dar und sie besteht aus sieben Räumen, im siebten Raum befindet sich das wunderschöne Licht Gottes. Zwangsläufig dachte ich an Martin Luther (10.11.1483 – 18.02.1546) und an sein Lied „Eine feste Burg ist unser Gott“. Ein Grinsen huschte über meine Wangen, denn Teresa von Ávila hatte mit dem Auftreten von Martin Luther ihre Schwierigkeiten, kurzum, sie war ganz und gar nicht mit seiner Vorstellung einverstanden. Aber ich komme vom Thema ab.
Obgleich ich gestern während der Kontemplation theoretisch die Möglichkeit gehabt hätte, den siebten Raum sofort zu betreten, um meinen Weg abzukürzen, was ich ansonsten sehr gerne tue, wagte ich nicht; stattdessen besuchte ich den ersten Raum. Diesen Raum betrachtete ich, ich schaute mir selber zu, wie ich mich in diesem Raum bewegte, nämlich gar nicht. Ich setzte mich auf den dunkelblauen Boden, die Wände und die Decke waren in einem eigentümlichen Licht, hervorgerufen durch das Abendlicht. Dieses eigentümliche warme Licht konnte ich schon des Öfteren im fortgeschrittenen Frühling und im Sommer beobachten. Es ist ein kurzes Zeitfenster, von nur wenigen Minuten, in denen die Bäume im Garten und die Häuser orange bis purpur durch die Sonnenstrahlen zum leuchten kommen. Ich liebe diese wenigen Minuten, dafür lasse ich gerne alles liegen und stehen und dieses Licht sah und empfand ich auch gestern Abend. Doch dann kam in mir das Bedauern auf, das Bedauern darüber, dass ich so viele Jahre gebraucht habe, um Gott oder wie ich ihn inzwischen gerne anrede: Abba, näher zu kommen, Tränen stiegen in mir auf. Wenn ich eines nun verhindern wollte, war vor den anderen zu weinen, zumal es mir sehr schwergefallen wäre, diese Tränen zu erklären. Zum Glück kam dann Freude auf, Freude darüber, dass ich nicht vor der dicken undurchdringlichen Burgmauer stehe und auch nicht mehr auf dem Schutzwall, sondern ich bin auf die grüne Wiese hinunter gesprungen, öffnete vorsichtig die erste Tür, die ein wenig knarrte (müsste entweder geölt oder von mir öfters geöffnet werden).

Meine liebe Cäcilia. Nach außen wirkt vermutlich mein Leben eher eintönig aber in meinem Innern geschieht so vieles, teilweise so viel, dass ich mit meinem Denken schon gar nicht mehr hinterher komme.
Was ist bei Dir gerade los? Was beschäftigt Dich?

Sei ganz lieb gegrüßt
Sabeth

Angaben zum Buch:
Martin Schleske: Der Klang
Vom unerhörten Sinn des Lebens
Mit Fotos von Donata Wenders
Hardcover mit Schutzumschlag
352 Seiten
14,5 x 21,5 cm
Verlag: Kösel
ISBN: 978-3-466-36883-9
Erschienen: 04.10.2010
Preis: 24,00 € (D), 24,70 € (A)

Siehe auch:
> Auf der Website von () Martin Schleske
> Hier kann () man das Buch bestellen


 

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