Liebe Cäcilia,

in den vergangenen Tagen lag ich wegen einer starken Erkältung flach, mein Bett verließ ich nur um mal etwas zu trinken oder zu essen. Heute geht es mir deutlich besser, auch wenn ich noch zwischendurch vor mich hin huste oder schniefe.

Im Garten blühen die beiden Kirschbäume, die Wiese steht im saftigen grün, die ganze Natur befindet sich im Aufbruch. Ich liebe den Frühling. Zuweilen fühle ich mich an „Ronja Räubertochter“ von Astrid Lindgren (14.11.1907 – 28.01.2002) erinnert, die nach dem langen kalten Winter überglücklich aus der Höhle kriecht und den Frühling begrüßt. Die Vögel bauen ihre Nester, sie trällern ihre Liebeslieder und ich glaube, in dem einen oder anderen Nest wird man Eier finden. Man kann zwar mit unseren heutigen technischen Mitteln die Pracht festhalten, aber den Geruch, das eigene Gefühl kann nicht auf ein Foto gebannt werden.
Ich fühle mich privilegiert, dass ich die Natur so hautnah miterleben darf, dabei beobachten kann, wie fein alles aufeinander abgestimmt ist, alles ist irgendwie miteinander vernetzt. In die Bewunderung mischt sich Traurigkeit, wir sind dabei diese wunderbare Schöpfung zu zerstören. Leider kann ich mich nicht davon freisprechen, auch ich beteilige mich an der Zerstörung, denn auch ich bin träge und bequem, lasse mich gerne mit einem Auto nach Hause kutschieren obwohl ich laufen könnte.

Als ich in der Fastenzeit an den Alltagsexerzitien „Mein Pilgerweg“ teilnahm und der erste Tag sich rund um die Sehnsucht drehte, war ich sehr irritiert als ich mir die Frage beantwortete, wonach ich mich sehne. Meine spontane Antwort, liebe Cäcilia, lautete: nach Gott. Darüber zu sprechen wagte ich nicht, weil ich annahm, dass nur ich so ticke. Doch dann las ich bei Martin Schleske in seinem Buch „Der Klang: Vom unerhörten Sinn des Lebens“, wer keine Sehnsucht nach Gott verspürt, dessen Glaube ist erkaltet, besteht nur noch aus einer Hülle aus Lehrsätzen. Aha – ich bin also mit meiner Sehnsucht gar nicht alleine.
Die Sehnsucht verändert ihre Form, ihre Farben aber sie ist anwesend. Das brachte mich dann auf die Idee, mich zu fragen, wo ich etwas Vergleichbares finden könnte und wurde in der Natur fündig, genauer: Polarlichter. Wie Du weißt, beschäftige ich mich derzeit mit der finnischen Designerin Maija Sofia Isola (15.03.1927 – 03.03.2001), somit war es naheliegend, dass ich darin einen Zusammenhang fand.
Polarlichter verändern permanent ihr Aussehen, sehen kann man sie aber nur in der Dunkelheit; desto dunkler es ist, desto intensiver können wir sie sehen. Interessanterweise erscheinen uns die Lichter in grüner Farbe, die Farbe der Hoffnung. Polarlichter sind flüchtige Erscheinungen aber ist es nicht auch so mit Gott? Flüchtig kann ich seine Anwesenheit wahrnehmen, insbesondere in der Stille, im Gebet. Es sind kurze Augenblicke, die ich nicht weiter erklären kann, meine Sprache hat dafür keine richtigen und ausreichenden Worte, aber diese Momente machen mich sehr glücklich, zuversichtlich. Dieser Zustand hält nicht dauerhaft an, sondern ich mache mich immer wieder auf die Suche. Was ich jedoch feststelle: desto öfter ich seine Anwesenheit spüre, desto dauerhafter wird mein glücklich sein, desto eher bin ich ausgeglichen. In diesem Zustand fällt es mir wesentlich leichter, mitzubekommen, wie es meinen Mitmenschen geht, es fällt mir wesentlich leichter auf sie zu zugehen und für sie da zu sein, nicht nur das, ich mache es mit Freude und nicht widerwillig, nicht aus moralischen Gründen und auch nicht, weil ich mich verpflichtet fühlen könnte, sondern einfach so.

Ich wünsche Dir eine wunderschöne Zeit.

Sei lieb gegrüßt
Sabeth

> Siehe auch: Vom Suchen und Finden (Brief an Cäcilia)

Angaben zum Buch:
Martin Schleske: Der Klang
Vom unerhörten Sinn des Lebens
Mit Fotos von Donata Wenders
Hardcover mit Schutzumschlag
352 Seiten
14,5 x 21,5 cm
Verlag: Kösel
ISBN: 978-3-466-36883-9
Erschienen: 04.10.2010
Preis: 24,00 € (D), 24,70 € (A)

Siehe auch:
> Auf der Website von () Martin Schleske
> Hier kann () man das Buch bestellen


 

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