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Drei Tage nach der Vergabe des Ingeborg-Bachmann-Preises in Klagenfurt skizzierte Sabeth Faber eine erste Idee zum Text „Der Schrank“ von Birgt Birnbacher. Gezielt wählte die Künstlerin diesen Text aus, wurde doch Birgit Birnbacher am 30. Juni 2019 mit dem begehrten Literaturpreis ausgezeichnet.

Zunächst suchte sich die Siegener Künstlerin aus der Prosa die Fakten heraus. Im Mittelpunkt steht bei Birgit Birnbacher scheinbar der Schrank. Es handelt sich um einen edlen Schrank, der aus Kirschholz geschreinert wurde, der nicht gesteckt werden kann sondern verzapft ist, was das Auseinandernehmen des Möbelstücks nahezu unmöglich macht. Man erfährt zudem, dass der Schrank etwa hüfthoch ist, zwei Türen hat, auf geschwungenen Füßen steht und eine spezielle Oberfläche hat. Mit den Worten der Schriftstellerin ausgedrückt: „Der Schrank ist die möbelgewordene Operndiva“ (vgl. Quellenangabe).  Er steht mitten im Hausflur und jeder, der daran vorbei gehen möchte, muss für sich seinen eigenen Weg finden. Im weiteren Verlauf erfährt man, dass es sich um ein Möbelstück aus der Biedermeierzeit handelt.
Da der Schrank so zentral steht, hat Sabeth Faber ihn mitten in die Grafik gesetzt, die beiden Türen sind weit geöffnet, man kommt als Betrachter nicht an ihn vorbei. Er steht auf einem schwarz-weiß gekachelten unebenen Boden, auf dem man weder ein Möbelstück akkurat stellen noch kann man ihn auf einfache Weise sauber halten. Hierbei handelt es sich um eine Erfindung der Künstlerin, denn weder erfahren Leser*innen, welche Farbe der Fußboden hat noch wird nirgendwo erwähnt, dass der Boden wellig sei. Jedoch bewegen sich alle Protagonisten auf unsicherem Terrain, selbst die Bewohner*innen des Hauses. Dass der Boden ständig sauber gehalten wird, macht die Künstlerin anhand der beiden Wischmopps (links und rechts im Bild) sowie anhand des blauen Putzeimers deutlich. Außerdem spiegelt sich im Boden der Putzeimer sowie der Hintergrund des Bildes.
Der Hintergrund erscheint einem unklar: Sind es Häuser, rechteckige Bäume? Sowohl als auch. Die ineinander verschachtelten Hochhäuser verdeutlichen einerseits das Wohnviertel, in dem die Ich-Erzählerin lebt, andererseits fährt sie zu ihrer Cousine in den „Waldviertel“. Ihre Cousine ist eine Angehörige der Öko-Bewegung. Deshalb hat die Künstlerin sich für die dominierende grüne Farbe entschieden, anstelle der Fenster sieht man braune Baumstämme. Die Handlung spielt sich im Hochsommer ab, also in der Jahreszeit, in der der Höhepunkt von der Anzahl der grünen Blätter grade überschritten ist. Wenn man im Hochsommer durch den Wald spazieren geht, sind die Baumstämme nur hie und da zu sehen. Zwischen den Hochhäusern ist am oberen Bildrand ein viereckiger Mond, der am Nachthimmel scheint. Weder ist der Himmel ganz schwarz, sondern dunkelblau, eine Beobachtung von Sabeth Faber, dass im Sommer die Nächte nie ganz dunkel bzw. schwarz werden, noch sind die Hochhäuser eindeutig ein Teil der Nacht, im Gegenteil, sie heben sich voneinander ab, sind gut erkennbar. Lediglich die Häuser, die in unmittelbarer Nähe zum Mond stehen, haben einen hellgrünen Rand. Am Ende des Textes wurde die Handlung von Birgit Birnbacher in die Nacht verlegt. In der Nacht erkennt die Ich-Erzählerin, wie die Notbeleuchtung sich im Schrank spiegelt, die Künstlerin deutet dies mit der grünen Farbe auf dem Schrank an.
Links im Bild sind drei Zigaretten, die sich gegenseitig stützen. Zum einen ist die Ich-Erzählerin eine Raucherin, zum anderen wohnen auf derselben Etage der Ich-Erzählerin noch zwei weitere Personen, die sich zwar nicht besonders mögen aber doch im selben Boot sitzen.

Eines Tages bekommt das Haus von einem Herrn Besuch, der von Birgit Birnbacher als der „Beobachter“ genannt wird. Er hat die Aufgabe, das Sozialleben seiner Probanden zu erfassen, mit ihnen Interviews zu führen, später sollen diese Daten für eine wissenschaftliche Untersuchung ausgewertet werden. Als der Beobachter das erste Mal das Haus betritt, hat die Ich-Erzählerin gerade eine Mülltüte in der Hand.
Der Beobachter gehört nicht zum Haus und doch ist er präsent, er trägt eine blaue Jacke. Im Bild ist lediglich die Jacke erkennbar, sie springt einem förmlich ins Auge, schaut man genauer hin, kann man erkennen, dass seine Hose zugleich ein Teil der Schranktür ist, auf dem Fußboden sieht man zudem ein Paar Schuhe.  Der Ich-Erzählerin ist es peinlich, ihre Biografie dem Beobachter im Interview zu erzählen, deshalb schmückt sie ihre Geschichte aus, doch am liebsten würde sie sich im Schrank verstecken.

Sabeth Faber verbindet auf bisher nie dagewesene Weise, das Drinnen und Draußen, Natur und Architektur, das Schemenhafte wird konkret, dass Konkrete ist nicht greifbar. Obgleich die Gegenstände eindeutig sind, bleibt das Bild abstrakt. Das eigentliche Wohnen findet nicht in einem der Zimmer der Häuser statt, sondern im Schrank. 

Angaben zur Grafik:
Titel: Der Beobachter in der blauen Jacke
Grafikgröße (B x H): 5200 x 3915 px


Quelle:
Vgl. Birgit Birnbacher: Der Schrank (vorgetragener Text während der 43. Tage der deutschsprachigen Literatur) 


 

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