100 Jahre WGT – 2. Januar




Der Fisch im Netz und ein Jägerhut

Vor ein paar Jahren war ich für längere Zeit in Deutschland und bekam als Kunsthistoriker die Gelegenheit an einem Kunstprojekt teilzunehmen. Bei diesem Projekt gab es so gut wie keine Regeln, es gab auch kein vorgeschriebenes Thema, vielmehr ging es um Spontanität. Der Vorteil dieser Methode ist, dass man wenig nachdenkt, weder darüber, wie das Bild am Ende ausschauen soll noch verfolgt man ein Konzept. Überraschend war für mich am Ende der Projektzeit, wie sehr mir das Thema „Einheit in der Vielfalt“ unter den Nägeln brennt. Ich hatte es unbewusst in jedem Bild zum Ausdruck gebracht.
Sabeth Faber und ich sprachen schon des Öfteren über dieses Thema und auch sie ist dem sehr zugewandt. Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Künstler*innen, die sich bewusst oder unbewusst in ihren Werken mit diesem Thema auseinandersetzen. Alexandra Backford kann man ohne weiteres dazu zählen. Aufmerksam bin auf diese Künstlerin durch einen Freund geworden, der mir das Bild „Fisherman“ zeigte. Alexandra Backford hat die Grafik mithilfe von Tusche auf Papier gebannt (Format des Papiers: 51 x 35,5 cm). Für die Grafik verwendete sie drei verschiedene Farben, braun, schwarz und weiß (bzw. beige). Im Vordergrund ist ein Fischer in einem Holzboot dargestellt, der mit seinen zwei Händen ein Netz hält, indem ein einziger Fisch liegt. Sein Gesicht ist nicht zu sehen. Während er das Netz festhält, sitzt er auf einer Bank im Boot, seine Kniee sind gekrümmt. Betrachtet man seine Körperhaltung, wundert man sich, denn sie ist für einen Fischfang völlig ungeeignet, ja, man könnte sogar zu der Ansicht gelangen, dass ihm der gefangene Fisch leidtut.

Alexandra Backford lebte in Alaska, sie wuchs bei dem indigenen Volk der Aleuten auf. Als sie etwa 20 Jahre alt war – geboren wurde sie 1942 – nahm sie ihr Kunststudium am „Institute of American Indian Arts“ in Santa Fe in New Mexico auf.

Sabeth Faber hat den Jägerhut der Aleuten auf ihrer KarteFireweed-Blüteals Hügel am unteren Rand dargestellt. Aus dem Hut wächst die winterharte Pflanze, die Blüte ist in einem Jugendstil-Fenster eingerahmt.
Während Alexandra Backford den Fischer als Person darstellt, hat Sabeth Faber den Menschen lediglich indirekt angedeutet, nämlich als Hut und Fenster.
Beide Künstlerinnen zeigen, dass der Mensch sich nicht außerhalb der Natur befindet, sondern er ist ein Teil von ihr.
Bemerkenswert ist, dass beide Künstlerinnen unabhängig voneinander das jeweilige Lebewesen in Gefangenschaft zeigen, die aleutische Künstlerin zeigt einen Fisch im Netz, die Siegener Designerin hat die Pflanze zwischen Hut und Fenster eingeklemmt, wobei die Blüte im Fenster zwangsläufig erstarrt ist. Bei beiden Künstlerinnen ist es jeweils der Mensch, der das Lebewesen einfängt, der Mensch lässt sie aus unterschiedlichen Gründen sterben. Während bei Alexandra Backford sicherlich der Fisch als Nahrung dient, so dient es bei Sabeth Faber der Dekoration. Der Fischer zeigt Mitleid und bei Sabeth Faber? – Man kann es durchaus als Kritik verstehen, denn ist es nicht so, dass es hierzulande üblich ist, frische Blumen in einer Vase zu haben? – also rein aus Dekozwecken? Schlimmer noch, es wird zur Show gestellt, zumindest wird es durch das Fenster angedeutet.
Das schwarz-weiße Wasser im Hintergrund des Fischers hat etwas Bedrohliches, die Pflanze wirkt hingegen auf dem ersten Blick freundlich.

Deutlich wird vor allem bei Alexandra Backford, dass der Mensch mit der Natur und nicht gegen sie leben sollte, bei Sabeth Faber wird dies lediglich vorsichtig angedeutet.

Der Vollständigkeit halber: Alexandra Backford starb 2010.

> Infos zur Designerkarte: Der blühende Hut
> Siehe auch: 100 Jahre Weltgebetstag der Frauen


Quellen:

Vgl. Wikipedia, englisch (): Alexandra Backford, zuletzt besucht am 19.11.2023 
Vgl. National Museum oft he American Indian, englisch (): Fisherman, zuletzt besucht am 19.11.2023