Grußkarte, Engel

Liebe Teresa,

zuweilen beschleicht mich das Gefühl, dass sich Geschichte doch wiederholt, nicht in allen Details aber in groben Zügen.

Wie Du weißt, liebe Teresa, habe ich neulich GrußkartenEngel für die Vereinigten Staaten von Amerikahergestellt. In diesem Zusammenhang befasste ich mich auch mit der Flagge, die aus sieben roten und sechs weißen Querstreifen besteht. Oben links ist ein blaues Flaggenfeld – auch „Gösch“ genannt – mit fünfzig weißen Sternen.
Um die Zusammensetzung der Flagge besser zu verstehen, las ich im Buch „Geschichte der USA“ von Horst Dippel. Seine Schilderung ließ mich aufhorchen, da ich in der Gegenwart seit längerem ein ähnliches Phänomen beobachte.
Horst Dippel beschreibt im Bezug zur amerikanischen Kolonie, dass sich die Briten in Sicherheit wähnten, hatten sie doch gerade die Franzosen erfolgreich aus einigen Gebieten vertrieben, sie waren blind und taub gegenüber dem Erodieren ihrer Macht auf dem neu gefundenen Kontinent.
Blind und taub war man in Afghanistan, für die Taliban stellten die zahlreichen Soldaten und Waffen der Amerikaner und ihre Verbündeten kein Hindernis dar, um die Macht zurück zu erobern. Blind und taub war man in Deutschland, als Russland Zug um Zug den Krieg gegen die Ukraine vorbereitete. Blind und taub war man in Israel, die nicht die Vorbereitung des Anschlags der palästinensischen Gruppe „Hamas“ bemerkten. In allen drei gegenwärtigen Vorgängen wähnte man sich in Sicherheit, erlag dem Irrglauben alles im Griff zu haben. Den Irrtum musste jeweils die Bevölkerung mit einem hohen Blutzoll bezahlen.
Solange man träumt, man hätte alles im Griff, bemerkt man nicht, dass jede Entscheidung ein Schritt mehr sein kann, die die Katastrophe herbeiführt. Als die Briten die sogenannte „Stempelsteuer“ am 1. November 1765 auf dem amerikanischen Kontinent einführte, war das Maß voll, es war der berühmte Tropfen, der das Fass überlaufen ließ. Nun gab es im Grunde kein Halten mehr. Überall formierten sich Aufstände. Zunächst waren es nur Nadelstiche, die zunehmend zu einem großen Sargnagel wurden und in der „Boston Tea Party“ am 16. Dezember 1773 gipfelten. Nun war es nur noch eine Frage von Zeit bis die Unabhängigkeit vollzogen sein wird. Der Kongress beschloss am 2. Juli 1776 die Unabhängigkeit, zwei Tage später wurde die Erklärung genehmigt. Und die Briten? Zähneknirschend mussten sie erkennen, dass sie verloren hatten und erkannte am 3. September 1783 die Unabhängigkeit an.
Vor der Unabhängigkeit gab es insgesamt 13 britische Kolonien, die sich in der Flagge als Querstreifen widerspiegeln. Die Farbe Rot symbolisiert „valor and hardiness“ (Tapferkeit und Widerstandsfähigkeit), Weiß steht für „purity and innocence“ (Reinheit und Unschuld). Die blaue Farbe im „Gösch“ symbolisiert „vigilance, perseverance and justice“ (Wachsamkeit, Beharrlichkeit und Gerechtigkeit). Ich kenne keine weitere Flagge, die von vornherein eine mögliche Veränderung mit einbezieht. Es ist die Anzahl der Sterne, die für jeden Bundesstaat stehen und jeweils am 4. Juli aufgenommen werden können. Zuletzt geschah dies am 4. Juli 1960 nachdem man am 3. Januar 1959 Alaska und am 21. August 1959 Hawaii zu Bundesstaaten der USA erklärte.
Kaum ein anderes Land steht für Freiheit wie die USA aber im politisch-gesellschaftlichem Alltag zeigt sich ein ganz anderes Bild. Weder haben „People of Colour“ noch die indigene Bevölkerung vollen Zugang zur Freiheit, immer wieder müssen sie erleben, wie beispielsweise ihr Wahlrecht beschnitten wird, wie zuletzt unter dem hierzulande unbeliebtesten Präsidenten aller Zeiten. Vereinzelt gibt es jedoch Menschen, die ich als frei bezeichne, dazu gehört die Malerin Georgia Totto O‘ Keeffe (15.11.1887 – 06.03.1986), die sich ab einem gewissen Punkt nicht mehr darum geschert hat, was andere von ihr denken oder erwarten und doch hat sie kaum wie eine andere die Kultur und die Landschaft des amerikanischen Kontinents zum Ausdruck gebracht. Von ihr behaupte ich, dass sie durch und durch Amerikanerin war.
Aber solange dieser Staat nicht allen Bevölkerungsgruppen die gleiche Freiheit einräumt, bleibt die USA unfrei. Anselm Grün hat es in seinem Buch „50 Engel für das Jahr“ wunderbar herausgearbeitet, zur Freiheit gehört die „Würde des Menschen“. Und ja, liebe Teresa, ich stimme Anselm Grün zu, wenn er uns den Sohn Gottes als Vorbild eines freien Menschen vor Augen führt – aber ich glaube, dem wirst Du nicht widersprechen, liebe Teresa, im Gegenteil, Jesus ist für Dich ein so wichtiger und inniger Freund geworden, sodass Du vermutlich die Erkenntnis von Anselm Grün unterschreiben würdest.

Ich freue mich jetzt schon auf Deine Antwort.

Sei ganz lieb gegrüßt
Sabeth

> Siehe auch: Muss Gott handeln? (Brief an Teresa)


Quellen:
Vgl. Horst Dippel: Geschichte der USA, Verlag C.H. Beck – München 2015 (10. Auflage), S. 17 ff. (siehe () Beck-Verlag)
Vgl. Wikipedia (): Flagge der Vereinigten Staaten, zuletzt besucht am 12.10.2023 
Vgl. Anselm Grün: 50 Engel für das Jahr. Ein Inspirationsbuch, Verlag Herder – Freiburg im Breisgau 1997 (20. Auflage), S. 81 ff. (siehe () Herder Verlag)

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